13 wichtige Fragen – 13 aufklärende Antworten:
Tiefengeothermie, Spekulationen und Gerüchte

Interview mit Karin Rother-Linowski von der „IG Tiefengeothermie“

Waghäusel. Das seit langem vorherrschende große Streitthema Tiefengeothermie und die Oberbürgermeisterwahl fallen nun mal zeitlich zusammen. Es wird mehr diskutiert, hitziger als sonst argumentiert. Auch kommt es zu vielerlei gegensätzlichen Behauptungen, Spekulationen und  Gerüchte. Ein Bürgerbegehren (also eine Abstimmung der Bürgerschaft) gegen das geplante Geothermiekraftwerk auf Waghäuseler Gemarkung ist mit 2.500 Unterschriften beantragt.

Was stimmt? Was sind die  Hintergründe, die man kennen sollte?
Zu den kursierenden Aussagen nimmt Karin Rother-Linowski von der Bürgerinitiative in einem Interview Stellung. „Es muss einiges zurechtgerückt werden“, meint sie. „Uns als politisch neutrale Gruppe geht es einzig und allein um das (im wörtlichen und übertragenen Sinn) „erschütternde" Thema“. Ihre zentrale Aussage: Die Stadt kann, wenn sie will, das Tiefengeothermie-Vorhaben stoppen.

OB-Wahl und Tiefengeothermie haben nichts miteinander zu tun, heißt es immer wieder aus bestimmten Kreisen.
Antwort: Ich habe sogar gehört, es sei unfair und unanständig, dass das Thema Geothermie in den OB-Wahlkampf einfließt. Also kurz zusammengefasst, bedeutet diese Aussage: Was für einen Kandidaten und seine Unterstützer unangenehm ist, muss außen vor bleiben. Es soll tabu sein. Diese Forderung können dann ja alle für alles erheben!
Dürfen etwa Logistikzentrum, Konverter, der Verlust der Wohnqualität durch immer mehr Betonblocks, der Abriss ortsbildprägender Gebäude und was sonst noch ansteht nicht mehr thematisiert werden? Um bloß niemanden weh zu tun? Die Positionen der Kandidaten sind doch seit langem klar. Da ändert sich ja auch nichts mehr. Warum dann ein so wichtiges Thema jetzt ausgerechnet in Wahlkampfzeiten totschweigen wollen?

Ist Thema Tiefengeothermie den Waghäuselern egal: siehe Wahlergebnis und Wahlbeteiligung?
Antwort: Jeder gewichtet anders. Es gibt vehemente Tiefengeothermie-Gegner, die Unterschiften für ein Bürgerbegehren gesammelt und Geld gespendet haben. Doch sie wünschen sich einen Tiefengeothermie-Befürworter im Rathaus. Ob ich es verstehe oder nicht, ich muss es als Demokratin so akzeptieren. Viele haben auch die Hoffnung, es wird alles nicht so schlimm kommen.

Stimmt das: Jeder OB, wer auch immer, könne das Projekt nicht verhindern, verkünden beispielweise einige Großunternehmer der Stadt.
Antwort: Das sehe ich nicht so. Es ist ein großer Unterschied, welche Einstellung ein OB/eine OB zu diesem nachteiligen Vorhaben hat. Wer nur Gutes darin sieht, wird sicherlich zu mehr Entgegenkommen gegenüber dem Investor bereit sein. Wer nur rosige Bilder vor Augen hat, wird sich mit den Gegenargumenten schwertun, weil er diese nicht teilt.
Es geht doch um die zentrale Frage: Wollen wir jemanden, der sich für ein Tiefengeothermie-Projekt in der Wohnortnähe ausspricht? Oder jemand, der die möglichen Gefahren sieht und den Mehrheitswillen in Form von über 2.500 Unterschriften respektiert? Wie ich erfahren habe, könnte auch griffelspitzenhaft herumdeutelt werden, was letztlich eine „richtige Mehrheit“ ist. Wer sich beispielsweise auf eine „schweigende Mehrheit“ beruft. Dann haben wir dieses Phänomen aber bei allen Wahlen.

Es sei doch ein Projekt der Erneuerbaren Energien? Etwas Gutes: ein Beitrag für Wärme und Strom.
Antwort: Die Anteile an Wärme und Strom sind relativ bedeutungslos. Das räumt sogar der Investor ein. Beide Gesichtspunkte stehen aber nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht der Abbau von Lithium als gewinnbringendes Geschäft. Mit Nachteilen für uns alle.

Es wird doch Wärme versprochen?
Antwort: Inzwischen ist eindeutig klar, dass das Wärmeversprechen der Deutschen Erdwärme von dieser Firma nicht gehalten wird. Strom kann zwar erzeugt werden, ist aber extrem teuer in der Herstellung und wird die Strompreise noch höher treiben.
Auch ist sicher, dass man sich mit der Deutschen Erdwärme gleichzeitig Vulcan Energy Resources in die Stadt holt. Diese Firma will nur Lithium gewinnen und wird von der Klimaleugnerin Gina Reinhart finanziert.

Welche Gefahren sehen Sie?
Antwort: Wir entscheiden bei der OB-Wahl, nicht maßgebend, aber auch über Wohnwertverlust, Grundwassergefahr, Bohrlärm, Gefahr von Erdbeben, Gefahr durch eine veraltete Gasleitung unter dem Grundstück, über unzureichende Schadensregulierungen.

Wenn die Stadt keine eigenen Grundstücke verkauft, dann kauft die Erdwärme von anderen, privaten Grundstückseigentümern. Nur bei städtischen Grundstück hat die Stadt Einfluss auf Rahmenbedingungen.
Antwort: Wir glauben nicht an die wiederkehrende Behauptung, dass die Stadt bei einem Verkauf tatsächlich mitbestimmen kann und bei einem Nein irgendwelche zusammenhängende Privatgrundstücke von Wiesentalern als Ersatz aufgekauft werden können. Oder dass man dann auf Grundstücke des Landes zurückgreifen kann, das dafür große Flächen Wald abrasiert. Das sind Schutzbehauptungen - ins Blaue hinein.
Wer ist schon privat bereit, zu dem angebotenen extremen Niedrigpreis der Erdwärme zu verkaufen und der eigene Gemeinde zu schaden? Was will die Stadt am „Katzentisch“ mitverhandeln? Über die Lautstärke des Bohrturms habe ich gehört. Verhandelt sie dann auch über Erdbeben?

Wo sehen Sie die größten Gefahren und Nachteile?
Antwort: Tiefengeothermie ist nicht ohne induzierte Ereignisse möglich. Die Frage ist, wie groß diese sind. Unter induzierte seismische Ereignisse versteht man: durch den Menschen selbst du allein verursachte Erdbeben. Wollen wir das? Wir erwarten erhebliche Schäden für die Bürger, für städtische Gebäude und Einrichtungen, ja für die Gemeinden insgesamt, wie bereits bei anderen Projekten zuvor im Oberrheingraben. Wer kommt dann für die Schäden auf?

Einige Geothermie-Befürworter sagen: Alles übertrieben.
Antwort: Viele beurteilen das Ganze nur sehr oberflächlich. Es liegt in der Natur des Menschen, Negatives zu verdrängen. Der Bürger wird die Hauptlast nach möglichen Erdbeben-Ereignissen tragen. Die geforderte Versicherungshaftung nach induzierten Erdbeben basiert lediglich auf einer Entschädigung nach Zeitwert.
Die Langzeitauswirkungen einer Tiefengeothermieanlage sind nicht absehbar. Es wird eine fragwürdige ökologische Wirkung bei minderem Ertrag des Eingriffs in Kauf genommen.

Ist Grundwasserschutz ein Thema?
Antwort: Ja, infolge des hohen Grundwasserspiegels wird den hiesigen Bauherren grundsätzlich kein Keller oder, wenn überhaupt, eine Kellerrealisierung mit einer „weißen Wanne“ empfohlen. Durch seismische Ereignisse besteht die Gefahr, dass solche Abdichtungen beschädigt werden und langfristig Grundwasser eindringt.
Einer der bedeutendsten Grundwasserleiter Europas wird gefährdet, was nicht nur für die Trinkwasserversorgung unserer Region nachhaltige Konsequenzen haben kann.

Wie steht es um den Lärm? Es sei kaum Lärm zu hören, heißt es bei den Befürwortern.
Antwort: Eine Tiefengeothermieanlage erzeugt umfangreich Lärm, bis zu 105 Dezibel (Kreissägenlärm), der 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche wahrzunehmen sein wird. Dies kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

Warum ein Bürgerentscheid?
Antwort: Mit dem Bürgerentscheid sollen die Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden können, ob die Stadt Waghäusel die ausgewählten städtischen Flächen für die Errichtung eines solchen Tiefengeothermiekraftwerkes zur Verfügung stellt oder nicht.
Fast 15 % der wahlberechtigten Bürger haben innerhalb einer Sammlungszeit von etwas mehr als vier Wochen das Bürgerbegehren unterzeichnet. Man sollte dazu betonen, dass nicht alle Wahlberechtigten befragt wurden, sondern nur ein kleiner Teil von annähernd 15 %. Hiervon stimmten schätzungsweise 95 % dem Anliegen zu.

Kann es auch eine Entscheidung über die Köpfe der Einwohner geben?
Antwort: Ich höre immer wieder gebetsmühlenartig, dass eine Stadt, ein Gemeinderat und ein (Ober-)Bürgermeister nichts gegen den Bau eines solchen Kraftwerkes tun können. Sehr wohl ist dies möglich, wie auch der Referatsleiter Axel Brasse des Regierungspräsidiums Freiburg in einer Informationsveranstaltung der Deutschen Erdwärme in Graben-Neudorf im letzten Jahr eindringlich betonte.

Ist das Geothermiekraftwerk etwas Unaufhaltsames?
Antwort: Nein. Wir vertrauen auf die Ausführungen des Referatsleiters des Regierungspräsidiums. Dort hieß es sinngemäß: Wenn eine Stadt sich mit ihren Bürgern gegen ein solches Tiefengeothermieprojekt ausspricht, ist eine Genehmigung durch das RP nicht zu erteilen.
Wenn eine Gemeinde eindeutig und begründet die Tiefengeothermie ablehnt, wird das Landesbergamt, das über alle Anträge entscheidet, diese Entscheidung akzeptieren müssen.
Ein (Ober-)Bürgermeister hat viel Einfluss auf die Haltung einer Gemeinde. Auch bei uns. Wer will sich im Rathaus dagegen wehren, wenn er von den vielen Nachteilen nicht überzeugt ist und eher auf die betörenden Stimmen der Verkaufsmanager der Erdwärme hört.

Autor:

Werner Schmidhuber aus Waghäusel

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