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22. Oktober 1940: Das Ende der jüdischen Gemeinde Mutterstadt

Gedenktafel mit den Namen der deportierten Mutterstadtern im Ehrenhof auf dem neuen Friedhof. | Foto: Volker Schläfer
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  • Gedenktafel mit den Namen der deportierten Mutterstadtern im Ehrenhof auf dem neuen Friedhof.
  • Foto: Volker Schläfer
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Es geschah an einem Dienstagmorgen vor 80 Jahren:
Die Deportation am 22. und 23. Oktober 1940 von 6.676 jüdischen Einwohnern aus Baden, dem Saargebiet/Lothringen und der Pfalz nach Südfrankreich in das Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen bedeutete auch das Ende einer über 200 Jahre alten jüdischen Gemeinde in Mutterstadt.

Auf Initiative des damaligen Gauleiters Bürckel wurden die Juden damals frühmorgens von der Polizei aus ihren Häusern geholt; man gab ihnen nur eine Stunde Zeit, um das Nötigste in einen Koffer zu packen. Aus der Pfalz waren es 825 Personen, davon kamen, gemessen an der Einwohnerzahl, der größte Anteil aus Mutterstadt, nämlich 52 Deportierte. Gurs steht für immer für das Schicksal der Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland, wurde zur tödlichen Falle.

Auszug aus dem Bericht eines Häftlings: „...Das Lager besteht aus 380 Baracken, die weder sanitäre Anlagen noch Trennwände haben. Statt Fenster gibt es unverglaste Lichtluken mit Holzklappen. Die Baracken sind kalt, feucht, zugig und schmutzig; die Strohsäcke lagern auf schiefen Bretterböden, schlecht gefüllt mit muffigem Stroh. Es gab Ungeziefer; aber kein Essgeschirr und kein Trinkgefäß. Alles Gepäck lag auf der Lagerstraße in wüstem Durcheinander in Dreck und Regen...“.

Von dem Mutterstadter Transport sind in den ersten Wochen infolge der harten Lagerbedingungen neun Personen gestorben, auch die damals schon 83-jährige Esther Emma Marum. Einige konnten fliehen, im Untergrund überleben oder sind seit dieser Zeit verschollen. Oder z.B. Meta Oehlbert, die im Mai 1941 mit ihren 18-jährigen Zwillingstöchtern in die USA auswandern konnte. Doch die meisten wurden ab 1942 von Gurs aus in das KZ Auschwitz transportiert und dort ermordet, oder ihr Schicksal ist bis heute ungeklärt. Erwähnenswert das Schicksal der jüdischen Familie Sundelowitz: Sie standen nicht auf der damaligen Liste, schlossen sich aber freiwillig dem Transport an; Der Vater wurde 1944 aus einem französischen Lager befreit, die Mutter kam 1942 mit ihrer 20- jährigen Tochter und ihren 18-jährigen Zwillingssöhnen nach Auschwitz.

Auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses vom 11.12.2001 wurde im Ehrenhof auf dem Friedhof eine Namensliste der Deportierten als Gedenktafel angebracht, um so auf diese schreckliche, unmenschliche Aktion des NS-Terrorregimes auf Dauer hinzuweisen. Dem Gemeinderatsbeschluss war eine, vom Historischen Verein getragene Bürgerinitiative vorausgegangen, die eine solche Gedenktafel beantragt hatte.

Ortschronist Volker Schläfer wertete dafür die darüber vorhandenen Unterlagen aus; u.a. im Gemeindearchiv, Dokumente im Landes- und Bundesarchiv, verschiedene Veröffentlichungen zu den damaligen Ereignissen und Informationen von in der Gedenkkultur aktiv engagierter Personen. Danach wurden in die Namensliste 52 Personen aufgenommen, die an diesem 22. Oktober 1940 von Mutterstadt aus über Ludwigshafen mit Bussen, Zügen und LKW in das Lager Gurs gebracht wurden.

Vor einem Jahr haben die Länder Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz eine Vereinbarung getroffen zum Erhalt und Pflege der etwa noch 2000 vorhandenen Gräber in und um Gurs, um so die Erinnerung an die Deportierten wachzuhalten.

Nachfolgend die Namen der 52 jüdischen MitbürgerInnen, die vor 80 Jahren aus Mutterstadt deportiert wurden:
Amalie Dellheim (49 Jahre), Chana Dellheim (42), Emil Dellheim (48), Isabella Dellheim (53), Julius Dellheim (55), Karoline Dellheim (43), Tilli Dellheim (19) Berta Dellheim (68), Isidor Dellheim (72), Johanna Kahn (79), Adolph Löb (68), Arthur Löb (47), Bernhard Löb (70), Charlotte Löb (71), Elsa Löb (54), Eugen Löb (65), Ferdinand Löb (74), Franziska Löb (62), Friedrich Löb (59), Helene Löb (60), Ida Löb (72), Jenny Löb (62), Julius Löb (32), Karoline Löb (61), Lisa Löb ( 49), Max Löb (72), Otto Löb (39), Rosalie Löb (73), Sara Löb (71), Selma Löb (47), Thekla Löb (58), Isidor Maas (64), Klara Maas (63), Esther Marum (83), Emma Marx (61), Berta Metzger (56), Leo Metzger (64), Hermann Neu (52), Edith Oehlbert (18), Emma Oehlbert (60), Irma Oehlbert (25), Liselotte Oehlbert (26), Marianne Oehlbert (18), Meta Oehlbert (44), Thekla Oehlbert (20), Arnold Sundelowitz (16), Irmgard Sundelowitz (18), Johanna Sundelowitz (49), Leo Sundelowitz (55), Siegbert Sundelowitz (16), David Weiler (61), Ernestine Weiler (62).

Text: Volker Schläfer
Quellen: Gemeindearchiv, ORTSCHRONIK MUTTERSTADT 2017, Alban Berthold: Familien in Mutterstadt 2013, Band II.

Gedenktafel mit den Namen der deportierten Mutterstadtern im Ehrenhof auf dem neuen Friedhof. | Foto: Volker Schläfer
Pro Person war nur ein Koffer für die Deportation erlaubt.  | Foto: Gemeindeverwaltung Mutterstadt / Michael Hemberger
Autor:

Michael Hemberger aus Mutterstadt

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