Balkongespräch in der Landauer Wochenblatt-Redaktion: OB Thomas Hirsch

Blickt auf ereignisreiche Jahre zurück, in denen vieles „anders kam als geplant“: Der Landauer Oberbürgermeister Thomas Hirsch | Foto:  Tim Altschuck
  • Blickt auf ereignisreiche Jahre zurück, in denen vieles „anders kam als geplant“: Der Landauer Oberbürgermeister Thomas Hirsch
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Landau. Am 31. Dezember endet die Zeit von Thomas Hirsch als Oberbürgermeister der Stadt Landau vorzeitig, seit 1990 war er für die Stadt tätig. Er wird künftig Präsident des Sparkassenverbandes Rheinland-Pfalz. Im Balkongespräch mit Volontärin Katharina Schmitt und Redakteur Tim Altschuck blickt er auf die vergangenen sieben Jahre zurück, die „anders als geplant“ verliefen. Flüchtlingskrise, Corona-Pandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine haben auch seine Amtsgeschäfte beeinflusst.

???: Herr Hirsch, wenn Sie auf Ihre Amtszeit als Oberbürgermeister der Stadt Landau zurückblicken – was ist Ihr Fazit?
Hirsch: „In diesen sieben Jahren habe ich gefühlt „alles" erlebt. Kurz vor meiner Amtszeit hatten wir gerade die Landesgartenschau gestemmt. Wir hatten viele große Investitionen umgesetzt und dachten, wir können danach etwas durchatmen. Anders als erwartet, sind wir nach der Landesgartenschau aber nicht in ein Sabbatjahr gegangen. Im Gegenteil, es ging mit Volldampf weiter.“

???: Inwiefern?

Hirsch: „Schon im Sommer 2016 gab es mit dem Großbrand des Holzfachhandels Wickert im Norden der Stadt die erste Krisensituation. An diesem Tag kam ich gerade aus dem Italien-Urlaub zurück und habe an der Gepäckausgabe des Stuttgarter Flughafens erste Telefonate geführt. Dann ging es direkt zur Brandstelle und kurz darauf fanden schon die ersten Krisensitzungen statt.“

???: Die Ausläufer der Flüchtlingskrise waren sicher auch noch zu spüren?
Hirsch: „Die Flüchtlingskrise mit all ihren Auswirkungen war eine große Aufgabe. Sowohl für die Stadtverwaltung als auch für die Landauer Gesellschaft. Aber die Integration ist uns durch die vor allem dezentrale Unterbringung der Geflüchteten gelungen.“

???: Eine ähnliche Mammutaufgabe war die Corona-Pandemie.
Hirsch: „Was wir in den zwei Jahren erlebt haben, hat es so nie gegeben. Es war Neuland für alle: alle Menschen, die Unternehmen und auch die Verwaltung. Als stellvertretender Vorsitzender des Städtetags Rheinland-Pfalz kann ich mich noch gut daran erinnern, wie alles losging. Ich war in Mainz bei der letzten Sitzung mit den zuständigen Ministern in Präsenz dabei, dann gab es nur noch Telefon- und Videokonferenzen. Wir haben es bisher geschafft, diese Krise gut zu bewältigen. Auch hier muss ich der Verwaltung ein großes Lob aussprechen. Auch allgemein bin ich stolz auf die Verwaltung, die alle neuen Herausforderungen gemeistert hat. Wie überall gibt es auch in der Verwaltung eine Personalnot, das schafft immer mehr Schwierigkeiten. Deswegen versuchen wir jetzt schon, das Erfahrungswissen zu sichern.“

???: Wie wird es nach Corona weitergehen?
Hirsch: „Eine Herausforderung wird auch das gesellschaftliche Wohlergehen nach Corona sein. Überall fehlt es an Personal. Die wirtschaftlichen Folgen lassen sich nicht wegzaubern. Das wird zu massiven strukturellen Veränderungen führen. Personalmangel, Lieferketten-Veränderungen oder auch auf dem Finanzmarkt die steigenden Zinsen – all das erschwert Vorhaben wie zum Beispiel bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und stellt weitere Hürden. Dennoch geht es uns hierzulande besser als in anderen Ländern, auch das muss immer weiter im Bewusstsein der Menschen sein. Aber die Verwerfungen dürfen nicht größer werden. Das gesellschaftliche Miteinander sicherstellen – das wird wohl die zentrale Aufgabe für meinen Nachfolger.“

???: Was haben Sie aus diesen Krisen für Ihr Wirken mitgenommen?

Hirsch: „Dass Planungen im Vorfeld besonders wichtig sind, egal wie schwer sich ein Szenario planen lässt. Vorbereitet-sein ist alles! „Vor die Lage zu kommen" hat sich zu einem Credo entwickelt. Ich habe versucht, immer einen Schritt vorauszudenken. Wir merken jetzt in allen Bereichen auch eine gewisse Erschöpfung: in Wirtschaft und Gesellschaft, in unserer Verwaltung und überall. Eigentlich wollten wir gerade wieder durchstarten und jetzt beschäftigt uns die drohende Gasmangellage.“

???: Also die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs?
Hirsch: „Diese neue Krise mit vielleicht noch dramatischeren Auswirkungen als bei der Pandemie wird im Moment noch gar nicht so gesehen – gerade das Thema Energie. Im Idealfall gibt es nur ein „laues Lüftchen", aber im Ernstfall kann es einen richtigen Sturm geben. Wie ich schon sagte: Wir versuchen vor die Lage zu kommen.“

???: Blicken wir nun auf Positives zurück. Was bleibt in Erinnerung?
Hirsch: „Gerade im sozialen Bereich konnten wir vieles umsetzen und sind auch Vorreiter in Sachen „Vereinbarkeit von Familie und Beruf" geworden. Ich habe schon vor zehn Jahren als Sozial- und Jugenddezernent zu Unternehmen gesagt, dass Familie und die Vereinbarkeit mit dem Beruf viel wichtiger werden. Dafür bin ich damals oft belächelt worden. Wir haben es in Landau früh versucht, dies zu ermöglichen und inzwischen gibt es hier die beste Kita-Abdeckung in Rheinland-Pfalz.“

???: Wie wird es in diesem Bereich in Zukunft weitergehen?
Hirsch: „Die Ganztagsbetreuung in der Grundschule wird eine große Aufgabe. Denn ab 2026 besteht hierfür ein Rechtsanspruch und es gibt viele Dinge, die im Vorfeld erledigt werden müssen. Von der Verwaltung bis hin zu den Schulen und deren Ausstattung selbst. Auch hier war und ist es wichtig, immer schon einen Schritt vorauszudenken. Doch nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern eben auch Pflege und Beruf. Denn bei Pflege bekommt man keinen Vorlauf und diese ist oft auch auf unbestimmte Zeit. Es gibt keinen Ganztagspflegeanspruch.“

???: Gibt es für Sie ein „Leuchtturmprojekt“, das in besonderer Erinnerung bleibt?
Hirsch: „Darüber muss ich nicht nachdenken: Ganz klar das Hospiz. Das ist eine Herzensangelegenheit. Bei diesem Projekt haben wir uns mühsam vorgekämpft, haben Träger gesucht und Flächen für den Bau. Am Ende haben wir über eine Million Euro zusammengetragen, um das zu bewerkstelligen. Eine Stadt besteht nicht nur aus Straßen, Plätzen und Gebäuden. Dazu zählen vor allem die Menschen, die hier leben. Und zum Leben gehört sterben auch dazu. Wir haben heute eine gute Versorgungsstruktur für Schwerstkranke und todkranke Menschen."

???: Das Thema „Gesellschaftliches Miteinander“ scheint sehr im Mittelpunkt zu stehen?
Hirsch: „Ich persönlich glaube, das Thema „Gesellschaftliches Miteinander“ ist eine der größten Aufgaben aktuell.“

???: Gibt es Beispiele?
Hirsch: „Wie gesagt, einerseits die angespannte Stimmung durch Corona. Die gesamte Gesellschaft spürt eine große Erschöpfung. Andererseits gibt es aber auch ganz praktische Beispiele: Alle reden von bezahlbarem Wohnraum. Alle reden davon, keine weiteren Flächen zu erschließen, sondern bestehende Flächen zu nutzen. Wenn aber bestehende Baulücken genutzt werden, beschwert sich die Nachbarschaft, weil sie sich an die freie Fläche nebenan gewöhnt hat. Hier gibt es eine Diskrepanz nach dem Motto „not in my backyard“. Das gilt es zu moderieren und auch das verstehe ich unter „gesellschaftlichem Miteinander".“

???: Zum Abschluss: Freuen Sie sich schon auf Ihre neue Aufgabe?
Hirsch: „Es ist ein anderes Arbeiten, weiterhin aber ein öffentliches Amt, und die Themengebiete sind durchaus verwandt im Sinne der Daseinsvorsorge. Zum Beispiel Wirtschaftsförderung oder auch bezahlbarer Wohnraum. Weiterhin werde ich in kommunalen Themen beheimatet sein. – Ich werde aber mehr im Hintergrund arbeiten.“

???: Was wünschen Sie ihrem Nachfolger?
Hirsch: „Trotz der Extrembelastung gesund zu bleiben und trotz aller Kritik das Stehvermögen zu wahren. Letztendlich muss jemand entscheiden und oft ist es der Oberbürgermeister, der die Entscheidung treffen muss und dann auch zu vertreten hat. Das ist nicht immer einfach.“

Autor:

Tim Altschuck aus Kaiserslautern

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