Ein Besuch in der Heimat der Vorfahren
Nachfahren der jüdischen Familie Griesheimer besuchen Bruchsal und Heidelsheim

Auf dem Obergrombacher jüdischen Friedhof. Foto: A. Rieber
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  • Auf dem Obergrombacher jüdischen Friedhof. Foto: A. Rieber
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Ein Besuch in der Heimat der Vorfahren

„Haben Sie Unterlagen über die Familie Griesheimer? Ich bin gerade dabei, eine ausführliche Familienbiographie zu erstellen“. So schrieb in einer E-Mail die Historikerin Angelika Rieber, Verfasserin einiger wissenschaftlicher Werke zum Thema Judentum. Für ihre besondere Leistungen zur Erforschung der jüdischen Geschichte und Kultur wurde sie 2017 mit dem Obermayer-Preis ausgezeichnet.

Selbstverständlich konnten die an der Geschichte von Bruchsal und Heidelsheim Interessierten weiterhelfen und wenig später schrieb Frau Rieber, sie würde gerne zusammen mit Frau Denise Resnik nach Bruchsal und Heidelsheim kommen. Es war für die damalige Ortsvorsteherin von Heidelsheim, Frau Inge Schmidt, eine Selbstverständlichkeit, die Beiden einzuladen.

Denise Resnik ist die Tochter von Dorothea Griesheimer, verheiratete Baer. Die Großeltern von Denise stammen väterlicherseits aus Bruchsal. Diese sind Josef Harry Hirsch Griesheimer, geboren 1883 in Bruchsal und die 1891 in Frankfurt geborene Thekla Hess. Denises Mutter Dorothea (Dorothy), geboren 1923, war das einzige Kind von Josef und Thekla Griesheimer. 1933 kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Die besorgten Eltern schickten ihre Tochter im Juli 1939 mit einem Kindertransport nach England. Dorothea gelang es 1940 nach Amerika zu emigrieren. Deren Eltern wurden Ende Mai 1942 von Frankfurt aus in die Region Lublin verschleppt. Todesorte und Todesdaten der Eltern sind unbekannt. Dorothy lebt heute, ebenso wie ihre Tochter, in den USA.

Gespannt wartete die kleine Abordnung aus Bruchsal und Heidelsheim, die Ortsvorsteherin Inge Schmidt und Oberstudienrat Steffen Maisch aus Heidelsheim sowie Ursula Schott und Rolf Schmitt aus Bruchsal, auf dem Bruchsaler Bahnhof auf die Gäste aus den USA bzw. Frankfurt. Als Vertreter der Stadt Bruchsal war der Bruchsaler Bürgermeister Andreas Glaser dabei. Dieser begrüßte im Namen der Stadt Frau Angelika Rieber sowie Frau Denise Resnik und deren Sohn Jimmy und überreichte als Willkommensgeschenk einen großformatigen Bildband zur Stadt Bruchsal.

Danach setzte sich die kleine Gruppe in Richtung Feuerwehrhaus in Bewegung. Dort berichtete Rolf Schmitt vom „Förderverein Haus der Geschichte der Juden Badens e.V.“ von der wechselvollen Geschichte dieses Grundstückes. Er berichtete, dass 1938 die damals dort stehende Synagoge niedergebrannt und 1953 just auf diesem Gelände ein Feuerwehrhaus errichtet wurde. Jetzt würde nach einer Anschlussnutzung für dieses Grundstück gesucht und es machten viele Ideen die Runde, auch solche wie Seniorenresidenz oder Handelszentrum. Die Gäste äußerten hierüber ihr Unverständnis. Insbesondere die Information, dass die noch vor Ort befindlichen Synagogengrundmauern zur Disposition stehen, löste bei den Gästen Verständnislosigkeit aus.

Danach ging es weiter in die Hoheneggerstraße. Dort wohnten die Urgroßeltern von Frau Resnik. Das waren David Griesheimer, der 1849 in Heidelsheim geboren wurde und die 1848 geborene Babette Carlebach, die Schwester von Salomon (Shlomo) Carlebach, dem Urvater der bekannten Rabbiner-Familie Carlebach. Der Großvater von Denise Resnik, Josef Harry Hirsch Griesheimer, kam im Dezember 1883 wohl an der Adresse Hoheneggerplatz 98 zur Welt. Um die Jahrhundertwende verlegte die Familie des Kaufmanns David Griesheimer ihren Wohnsitz in die Friedrichstraße 3, danach erfolgte der Umzug nach Frankfurt.

Nach einer Stärkung mit einem kleinen Mittagessen machte sich die Gruppe auf zum Obergrombacher jüdischen Friedhof. Als kundiger Kenner dieses Begräbnisplatzes erwies sich Steffen Maisch. Viel wusste er zu diesem 1632 angelegten Verbandsfriedhof zu erzählen und führte die Gäste unserer Stadt zu den Gräbern der Griesheimer-Vorfahren. Er machte auf die in der Wand eines Mahnmals angebrachten Grabsteine bzw. die auf dem Friedhof liegenden Grabsteinfragmente aufmerksam. Steffen Maisch führte aus, dass in den 1990er Jahren in verschiedenen Bruchsaler Hohlwegen über 1.600 Grabsteine bzw. Grabsteinfragmente gefunden und geborgen wurden, die nach der Schändung des Obergrombacher jüdischen Friedhofs als Wasserablauf in diesen Hohlen Verwendung fanden.

Danach begab sich die kleine Gruppe auf den Weg nach Heidelsheim, der eigentlichen Heimat der Griesheimer-Familie. Auf dem an diesem Sommersonntag viel belebten Heidelsheimer Marktplatz erzählte die Ortsvorsteherin Inge Schmidt von der einstigen so vielfältigen und so großen jüdischen Gemeinde der Reichsstadt, die im nächsten Jahr ihren 1.250sten Geburtstag feiern darf. Einher geht mit diesem Jubiläum die Ersterwähnung im Lorscher Codex im Januar des Jahres 770.

Vom Marktplatz aus wurden einige der Orte besucht, die früher für die jüdische Gemeinde von Heidelsheim bedeutend waren bzw. wo jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wohnten. Das Synagogengebäude steht heute noch, allerdings wird es mittlerweile für Wohnzwecke genutzt. Besichtigt wurde das kleine Häuschen, in dem 1857 der spätere Bankier Julius Bär zur Welt kam sowie das Haus der Rabbiner-Familie Carlebach, die später nach Lübeck bzw. Leipzig übersiedelte und die Urahnen der bekannten Carlebach-Dynastie sind. Auch das Haus der Eheleute Zipporah und Solomon Sulzberger steht noch. Deren Söhne Leopold und Abraham machten sich 1838 bzw. 1849 auf den Weg nach Amerika. Leopolds Enkelsohn Arthur Hays Sulzberger wurde 1935 Herausgeber der „New York Times“. Ohne Unterbrechung waren seither Mitglieder der Sulzberger-Familie Herausgeber der „New York Times“. Heute ist Arthur Gregg Sulzberger Herausgeber dieser hochangesehenen Tageszeitung. Diese Position hat dieser jetzt in fünfter Generation inne.
Zum Abschluss des Tages fuhr die Gruppe zurück nach Bruchsal, wo ein Aufenthalt in einer Eisdiele mit frischen Säften, Eisbechern oder Spaghetti-Eis etwas Kühlung verschaffte.

Man verabschiedete sich am Bahnhof mit dem Versprechen, in Kontakt zu bleiben. Das Versprechen wurde gehalten. Kurz nach ihrer Rückkehr in die USA schrieb Denise Resnik: „Herzlichen Dank für die Zeit und die Mühen die Sie [...] verwendet haben, um mir und meinem Sohn Jimmy ihre wunderschönen Städte zu zeigen. Wir werden immer daran denken. Ebenfalls herzlichen Dank für das Buch, die Broschüren und das sonstige Informationsmaterial, das Sie uns übergaben. Ich zeigte dies alles meiner Mutter, die nie zuvor in Bruchsal oder Heidelsheim war. Sie hat sich riesig darüber gefreut“.

Autor:

Rolf Schmitt aus Bruchsal

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