Welche Geschichte hat das alte einsame Haus?
Wirtin mit 24 Kindern und viel Durchgangsverkehr

Waghäusel/Neulußheim. Immer wieder gibt es Nachfragen: Was ist das für ein einsames seltsames Haus? Mit dem „Einsamen Haus“ im Psychothriller von Ladislav Mňačko hat das abgelegene Wohnhaus zwischen Waghäusel und Neulußheim nichts zu tun. Seit 42 Jahren wohnt dort der Diplom-Biologe Ulrich Mahler, früher der Naturschutzbeauftragte des Regierungspräsidiums.
Auf der ehemaligen B 36, inzwischen zurückgebaut und als beliebte Strecke von Radfahrern und Inlineskatern genutzt, liegt das Häuschen, umgeben von Bäumen und Büschen. Im rückwärtigen Teil breitet sich das 224 Hektar große Naturschutzgebiet Wagbachniederung mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Biotopen aus.
Wie ist das markante Haus hierhergekommen? Und wann? Welchen Zweck sollte es erfüllen? Meist haben solche Gebäude ihre eigene Geschichte und Gerüchte.
Einige unbekannte Informationen kann Hanspeter Rausch vom Neulußheimer Heimatverein beisteuern. Wenige Meter entfernt, tief im Wald versteckt, steht ein ehemaliges Bahnwärterhäuschen. Seine Großmutter ist dort aufgewachsen und hat ihm viel erzählt. In früheren Zeiten bildete die alte B 36 die regionale Hauptachse zwischen Frankfurt und Basel.
Vermutlich im Zusammenhang mit dem Bau der Rheintal-Eisenbahn um 1870 dürfte die Wohn- und Arbeitsstätte der Bahnwärterfamilie entstanden sein.
Etwa um 1890 baute direkt an der Straße ein Daniel Oechsler aus Kirrlach, unter anderem als Jagdaufseher tätig, das unmittelbare Nachbarhaus zum Bahnwärterhäuschen, so die neueste Information der Nachfahren. Seine acht Kinder gingen seinerzeit nach Oberhausen in die Schule: ein weiter Weg zu Fuß.
Nach dem Umzug des wiederverheirateten Witwers nach Kirrlach wurde aus dem Gebäude eine Gaststube, was sich bei der Renovierung nachweisen ließ. An der vielbefahrenen Strecke eignete sich die Einkehrmöglichkeit gut als Zwischenstopp.
Dank der Zuckerfabrik als größter regionaler Arbeitgeber und der einzigen Nord-Süd-Verbindung herrschte viel Verkehr. Rübentransporte aus allen Teilen des Landes steuerten Waghäusel an, zahlreiche Pferdefuhrwerke lieferten Brennmaterial wie Torf, weiß Heimatforscher Rausch. Somit bot sich die Kneipe als „Tankstelle“ für durstige Kehlen an.
Aufgrund der exponierten Lage hatte die Schänke einen regen Zuspruch zu verzeichnen. Ortsgeschichtlich Kundige wissen, dass vor dem Ersten Weltkrieg oberhalb des Gastraumes ein ungewöhnlicher Kindersegen einsetzte. Ganze 24 Kinder von mehreren Männern soll angeblich die sich einsam fühlende Wirtin auf die Welt gebracht haben. „Ja, es herrschte halt ein reger Durchgangsverkehr“, meint Rausch schmunzelnd und vielsagend. Die Geschichte des einsamen Hauses ist als wechselvoll, mitunter als abenteuerlich zu bezeichnen.
Nach mehreren Umzügen habe zuletzt ein Anarchist dort gehaust, ist zu erfahren. 1979 übernahm Mahler das etwa 5.500 Quadratmeter große Grundstück. Und musste viel Arbeit in die Anschaffung stecken – und alles sanieren. Als Erschwernis kam hinzu, dass es keine Strom- und Wasserversorgung gab. Für Licht sorgte nur eine Petroleumfunzel.
Jahrelang fuhren tagtäglich Hunderte von Autos an der Haustür vorbei, bis die neue B 36 um 1986/87 fertiggestellt war. Zwar liegt das Anwesen zwischen Waghäusel und Neulußheim, genau drei Kilometer von der Eremitage entfernt, aber es gehört zur Gemarkung Altlußheim.

Autor:

Werner Schmidhuber aus Waghäusel

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