Neues aus der Gemeinde Mutterstadt
Erstverlegung von Stolpersteinen: Gedenken an Mutterstadter NS-Opfer

v.l.n.r.: Dr. Christina Wolf, Gunther Holzwarth, Gunter Demnig, Hans-Dieter Schneider, Volker Schläfer | Foto: Gemeinde Mutterstadt
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  • v.l.n.r.: Dr. Christina Wolf, Gunther Holzwarth, Gunter Demnig, Hans-Dieter Schneider, Volker Schläfer
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Am 7. Februar um neun Uhr fand sich eine Gruppe Menschen mit Masken und unter Einhaltung des Mindestabstandes vor dem Haus in der Friedensstraße ein. Anlass war die erste Stolperstein-Verlegung in Mutterstadt.

Interessensbekundungen an der Verlegung gab es bereits vor mehreren Jahren von Vereins- und privater Seite. Nach intensiven Beratungen wurden am 21.01.2020 im Kulturausschuss und am 28.01.2020 im Gemeinderat entsprechende Beschlüsse gefasst. Es folgte die Kontaktaufnahme mit dem Büro der Stolpersteine-Stiftung und Veröffentlichungen in verschiedenen Medien, die große Resonanz fanden.

Stolpersteine, das sind 96x96x100 mm große Betonsteine, die an der Oberfläche eine Messingtafel mit einer Inschrift tragen. Sie werden direkt in den Boden vor der letzten freiwillig gewählten Wohnstätte eines NS-Opfers eingelassen, so dass man als Fußgänger gedanklich über sie „stolpert“ und sich „verneigen“ muss, um die Inschrift zu lesen. Diese gibt an, wer dort wohnte, die Lebensdaten und den Grund der Verfolgung durch die Natio-nalsozialisten. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat seit 1996 ca. 90.000 solcher Gedenksteine verlegt, nicht nur in Deutschland.

Diesmal kam er - nachdem der erste Termin im Mai 2021 pandemiebedingt abgesagt werden musste - endlich persönlich nach Mutterstadt, um an 11 Verlegestellen für 27 Opfer Stolpersteine zu setzen. Die Steine werden durch Spenden finanziert, ein Stein kostet 120 Euro. Insgesamt 23 Einzelpersonen und Personengruppen wie Vereine haben gespendet. Da es sich um ein Kunstprojekt handelt, das langsam wachsen soll, wird es in Mutterstadt noch weitere Verlegungen geben. Für die nächsten 40 Stolpersteine haben sich bereits 30 Sponsoren gemeldet.

In der Friedensstraße lebte die jüdische Familie Dellheim, die im Oktober 1940 nach Gurs und
im November 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. Nur Sohn Alfred überlebte, weil er rechtzeitig mit einem Kindertransport nach Frankreich in Sicherheit gebracht wurde.

Während Gunter Demnig mit den Arbeiten begann, begrüßte Bürgermeister Hans-Dieter Schneider die Gäste: die Kinder Alfred Dellheims, Dr. Judith (68) und Axel Dellheim (70), die extra aus Berlin angereist waren, Angehörige von anderen Opfern, die Spenderinnen und Spender der Steine, bei denen er sich herzlich bedankte, Eberhard Dittus, Beauftragter für Gedenk-stättenarbeit und für den Erhalt der Jüdischen Friedhöfe in der Pfalz, die Vertreter der Kirchen-gemeinden und Gemeinderatsmitglieder. Anwesend waren auch das „Stolperstein-Team“ (Büroleiter Gunther Holzwarth, Orts-Chronist Volker Schläfer, Gemeinde-Mitarbeiter für die Öffentlichkeit Michael Hemberger, Gemeinde-Archivarin Dr. Christina Wolf) und einige Mitarbeiter des Bauhofs, die jede Verlegestelle sehr gut vorbereitet hatten. Die Beigeordneten Andrea Franz, Klaus Lenz, Hartmut Kegel, Hannelore Klamm, Vizepräsidentin des Landtags a. D. und Herbert Metzger, Begründer einer Initiative für die hiesige Gedenk- und Versöhnungskultur, kamen ebenfalls zur Verlegung der Gedenksteine.

Während der Künstler die Stolpersteine an den elf verschiedenen Stellen einsetzte, berichteten abwechselnd Dr. Christina Wolf und Volker Schläfer aus dem Lebenslauf der jeweiligen Opfer. Auf einigen Steinen wurden von Verwandten der Opfer oder Gästen eine Nelke oder eine Rose abgelegt. Alle Verlegeorte sind auf der nebenstehenden Tabelle nachzulesen und wer möchte, kann sie bei einem Spaziergang in der angegebenen Reihenfolge besuchen.

Bei der Auswahl der 27 Opfer wurden die verschiedenen Opfergruppen berücksichtigt: jüdische und nicht-jüdische, für Mutterstadt prominente und nicht prominente Opfer. Unter ihnen sind Jakob Weber, erster hauptamtlicher Bürgermeister, die fünfköpfige Familie Sundelowitz, Alfred Dellheim, der 2002 Ehrengast der Gemeinde bei der Einweihung der Erinnerungstafel an die 1940 nach Gurs de-portierten Juden war; Ernest Löb, der erste Kontakt der Gemeinde zu einem Überlebenden des Holocausts aus Mutterstadt und Heinz Eppler, der 2005 zum 100. Jahrestag der

Synagogen-Einweihung eine berührende „Versöhnungsrede“ in der Protestantischen Kirche hielt.
Nach der Verlegung des letzten Stolpersteins um 15.20 Uhr für Heinz Eppler in der Neustadter Straße dankte Volker Schläfer im Namen des Historischen Vereins dem Künstler Gunter Demnig, der Gemeinde und den Sponsoren der Stolpersteine für ihr Engagement und den anwesenden Gästen, von denen einige seit der ersten Verlegung um 9 Uhr an allen Stationen mit dabei waren, für ihre Teilnahme.

Mit dieser Erstverlegung von Stolpersteinen startet Mutterstadt ein neues Kapitel im Gedenken an Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Bürgermeister Hans-Dieter Schneider unterstrich in seiner Begrüssungsansprache, dass es „eine ständige generationenübergreifende Pflicht“ sei, „das Leid, das über die Familien der Opfer gebracht wurde, nicht zu vergessen und stets daran zu erinnern: So etwas darf nie wieder geschehen!“

Autor:

Michael Hemberger aus Mutterstadt

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