BriMel trifft
Ellen Suchoroschenko - Die Kostümbildnerin aus Leidenschaft

Ellen in einem ihrer vielen Kostüme
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Böhl-Iggelheim. Am 31. Mai traf ich mich mit Ellen Suchoroschenko, deren Fotos von wunderschönen Kostümen sich mir ins Gedächtnis eingebrannt hatten. Und da ich nicht extra deswegen zum Karneval nach Venedig reisen wollte, besuchte ich sie in ihrer Heimat Böhl-Iggelheim zu einem kleinen Gespräch.

??? Wann hattest Du die Idee mit den originalgetreuen wunderschönen Kostümierungen anzufangen?
Suchoroschenko: Das war vor etwa 12 Jahren. Wir suchten venezianische Kostüme für den Iggelheimer Lätareumzug. Da wir im Internet nichts fanden, was unseren Vorstellungen entsprach, kaufte ich mir Schnittmuster und probierte einfach mal aus, etwas selbst zu nähen. Glücklicherweise gelang dieser erste Versuch gleich so gut, dass ich daraufhin weitere drei barocke Damen- und Herrenkostüme für den Lätareumzug nähte. Die Resonanz der Zuschauer war großartig, die Leute waren begeistert und wir hatten sehr viel Spaß dabei. Das machte süchtig und das Hobby war geboren. Hochmotiviert suchten wir nach weiteren Gelegenheiten, bei denen wir unsere Kostüme tragen konnten.

??? Nach welchen Vorbildern schneiderst du die Kostüme?
Suchoroschenko: Meine Inspirationen finde ich auf zeitgenössischen Gemälden, Kostümausstellungen, Museen und natürlich auch im Internet. Mein Anspruch ist inzwischen natürlich gewachsen und ich versuche die Kostüme so authentisch wie möglich herzustellen. Dazu nutze ich Fachbücher aus den entsprechenden Epochen mit Illustrationen und Beschreibungen alter Schnitt– und Nähtechniken.
Mittlerweile fertige ich Kostüme aus verschiedenen Epochen, dazu gehören z. B. Renaissance, Barock, Rokoko, Empire, Biedermeier und Gründerzeit. Dabei sind nicht nur die sichtbaren Oberteile, sondern besonders auch die Unterbauten wichtig, wie z. B. Schnürmieder, Paniers, Poschen, Unterröcke etc., um die zeittypische Silhouette zu formen.

??? Du nähst ja nicht nur für Dich, sondern für Deine Freunde, die immer mit Dir zusammen zu diesen speziellen Events unterwegs sind. Wie viele und wer sind das?
Suchoroschenko: Leider sind einige Freunde aus den Anfängen aus verschiedenen Gründen nicht mehr dabei. Seit einigen Jahren sind wir meist mit Familie Grass unterwegs.
Auf den Events, die wir besuchen, treffen wir immer viele Bekannte und lernen auch jedes Mal neue Leute kennen, egal ob in Deutschland, Frankreich, Italien oder in den Niederlanden. Es hat sich im Laufe der Zeit ein großer europaweiter Freundeskreis aus Kostümträgern und Fotografen gebildet, die alle die gleiche Leidenschaft teilen.

??? Wie lange nähst du an einem einzigen dieser tollen Kostüme?
Suchoroschenko: Das ist ganz unterschiedlich. „Einfachere“ Kostüme für Tagesveranstaltungen in den Parks oder Picknicks brauchen weniger Zeit als die großen aufwändigen Roben für die Bälle in den Schlössern.
Je nachdem wieviel Dekoration und Aufputz an den Gewändern angebracht werden soll, dauert das Anfertigen mehrere Wochen bis Monate. Es braucht sehr viel Zeit und auch Muße, die Raffungen und Schleifen herzustellen und zu drapieren. Wenn die Proportionen stimmen und die Farben gut harmonieren, muss alles noch per Hand angenäht werden. Es ist sehr viel Handarbeit, sogar die Knöpfe werden von Hand nach alten Techniken hergestellt.

??? Machst du auch die Accessoires selbst?
Suchoroschenko: Überwiegend ja. Hüte, Häubchen, Handschuhe, Schirme, Schals werden passend zur Epoche und zum Anlass hergestellt oder umgearbeitet. Inzwischen gelingt es mir auch, die Perücken passend zu frisieren. Die Schuhe lassen wir uns anfertigen, passenden Schmuck findet man im Internet.

??? Ihr fahrt ja jedes Jahr zum Karneval nach Venedig. Wie viele Kostüme nimmst du zum Umziehen mit? Wo wird dort überall gefeiert? Da zieht ihr ja wahrscheinlich immer bewundernde Blicke auf euch, gell?
Suchoroschenko: Nicht nur wir *lacht*; die „Konkurrenz“ ist riesengroß. Dort ist ein Stelldichein von hunderten Kostümierten aus der ganzen Welt.
Wir fahren nicht jedes Jahr zum Karneval nach Venedig, es soll ja etwas Besonderes bleiben.
Der Karneval dort dauert 10 Tage. Es finden in dieser Zeit so viele öffentliche und private Veranstaltungen statt, dass die Auswahl manchmal schwerfällt.
Tagsüber flanieren manche Kostümträger durch die verwinkelten Gassen und zauberhaften Plätze und lassen sich einfach nur bewundern und fotografieren. Andere treffen sich mit ihren Lieblingsfotografen an besonders schönen Ecken oder in einem prunkvollen Palazzo für ein Fotoshooting. Oder man trifft sich in einem der ältesten Cafés der Welt am Markusplatz, dem legendären Cafe Florian, auf einen Aperol Spritz.

Am Abend geht man zu Bällen, Konzerten oder Dinners, die in den prachtvollen Palazzi veranstaltet werden. Wir sind Mitglieder in einer internationalen Associazione, einer Karnevalsvereinigung, die jedes Jahr mehrere Events organisiert und haben dadurch Zutritt zu tollen Veranstaltungen in den schönsten Palästen von Venedig. Mit etwas Glück und wenn man in der Szene schon etwas bekannt ist, wird man auch zu einer der begehrten privaten Partys in einen Palazzo eingeladen.
Wie viele Kostüme nehme ich mit? Je nachdem wie viele und welche Veranstaltungen man besuchen möchte, benötigt man schon mehrere Kostüme. Die Bälle und Partys haben in der Regel ein Motto, wie z. B. „Romeo und Julia“, „1001 Nacht“, „Es war einmal“, „Versailles“, „Katharina die Große“, „Mozarts Zauberflöte“ usw.

Man sollte versuchen, dem Motto gerecht zu werden und ein Kostüm tragen, das zeitlich in die entsprechende Epoche passt und dieses dann mit passenden Accessoires zum Thema ausstatten. Auf jeden Fall muss man gut planen, denn es muss ja alles noch in die Koffer passen und transportiert werden.

??? Hättest du lieber in der damaligen Zeit gelebt oder woher diese Faszination?
Suchoroschenko: Nein, ich denke eher nicht. Auf die Annehmlichkeiten der heutigen Zeit würde ich ungern verzichten. Aber einmal Zeitreise hin und zurück, das wäre bestimmt spannend.

Die Faszination an diesem Hobby sind die besonderen Momente, die man an außergewöhnlichen Orten erlebt. Es sind Auszeiten vom Alltag, die lange nachhallen und in Erinnerung bleiben. Man trifft faszinierende und manchmal auch etwas verrückte Menschen aus der ganzen Welt mit interessanten Berufen oder Hobbys. Und was auch ganz wichtig ist, wir machen den Menschen Freude mit unseren Kostümen und bringen sie zum Lächeln. Wir haben bisher immer nur sehr positive Reaktionen erlebt und viele Komplimente bekommen. Das passiert im grauen Alltag nicht so oft und gibt uns ganz viel zurück.

??? Nähen ist ja dein Hobby. Was machst du denn beruflich? Hat das auch etwas mit Kreativität zu tun?
Suchoroschenko: Ich habe eine medizinisch-technische Ausbildung und bis zur Geburt unserer Kinder in dem Beruf gearbeitet. Da ist Kreativität eher nicht gefragt. Aber in meiner Freizeit habe ich schon immer gern gebastelt, dekoriert und Blumen arrangiert. Nach der Elternzeit bin ich eher per Zufall zu einer Ausbildung als Nageldesignerin gekommen und war dann über 25 Jahre selbstständig mit einem Nagelstudio und einer kleinen Modeboutique.

??? Von wem werdet ihr bei den Events als Gruppe immer so schön abgelichtet? Habt ihr Euren eigenen Hoffotografen mit dabei?
Suchoroschenko: Die Fotos sind von Profifotografen und talentierten Hobbyfotografen, unter anderem auch von meinem Mann. Über die Jahre sind auch hier viele Freundschaften entstanden. Man ist über Social-Media in Kontakt und informiert sich über anstehende Termine.

??? Leider wird man euch hier in Böhl-Iggelheim nie in diesen pompösen Kostümen zu sehen bekommen oder? Wo habt ihr denn das Jahr über Gelegenheit euch zu präsentieren?
Suchoroschenko: Wir sind des Öfteren in Frankreich, weil es dort sehr viele Schlösser gibt, in denen wunderbare Veranstaltungen stattfinden. In einigen Tagen fahren wir nach Versailles zu den beleuchteten Wasserspielen in dem wundervoll angelegten Schlossgarten. Anschließend geht es weiter nach Vaux le Vicomte zu einer Kerzensoiree und zu dem „Journee Grand Siecle“, wo sich viele Kostümierte zu einem großen Picknick in dem herrlichen Schlosspark treffen.

Am 22. Juli sind wir im Mannheimer Schlosshof zur Operngala „Schloss in Flammen“ anwesend und am 9. Juli im Schwetzinger Schlosspark zum „Lichterfest“.

In Böhl Iggelheim gab es bisher wenig Anlässe unsere Kostüme auszuführen. Wir hatten dreimal die Ehre den Frühlingsball der Sängervereinigung zu eröffnen und haben am Lätareumzug teilgenommen, wo alles begann….

??? Vielen lieben Dank für das nette Gespräch. (mel)

Autor:

Brigitte Melder aus Böhl-Iggelheim

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