Ein kaum bekanntes Kapitel der lokalen Geschichte
Das traurige Geheimnis der alten Kraichtaler Friedhöfe

Der jüdische Friedhof in Oberöwisheim lockte am Tag des offenen Denkmals über einhundert Gäste an.  | Foto: ps
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  • Der jüdische Friedhof in Oberöwisheim lockte am Tag des offenen Denkmals über einhundert Gäste an.
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Kraichtal. Es gibt in Oberöwisheim einen Ort, den vermutlich nur wenige Kraichtaler wirklich und wahrhaftig kennen. Am Ortsrand, zwischen Dorfbach und den Anhöhen der Weinberge gelegen, findet sich der alte jüdische Friedhof inmitten eines verwunschen wirkenden Waldstücks an den Flanken eines Steilhangs. Es ist alles andere als ein idealer Standort für einen Friedhof. Das ist heute noch genauso augenfällig, wie es das schon damals im Jahre des Herrn 1629 war, als die Kraichgauer Juden das unwirtliche Gelände als Pachtland von den Dorfherren zu Helmstadt und Sternenfels erwarben. Sie taten dies aus der blanken Not heraus, denn bis zu jenem Zeitpunkt mussten sie ihre Verstorbenen zum nächstgelegenen und weit entfernten jüdischen Friedhof nach Speyer transportieren. Da nach jüdischem Brauch ein Leichnam aber spätestens einen Tag nach dem Ableben der Erde übergeben werden muss, war dies auf dem langen Weg und in der Kürze der Zeit kaum zu schaffen. So wurde schließlich bei Oberöwisheim der erste jüdische Friedhof im Kraichgau errichtet, noch lange bevor Eppingen, Flehingen und weitere Gemeinden nachzogen.

Doch die schlechte Lage des Friedhofes war nicht der einzige Wackerstein, den man damals im 17. Jahrhundert den jüdischen Mitbürgern in den Weg legte. So wurden stets hohe Geldbeträge fällig, wenn jüdische Familien ihre Verstorbenen durch die Dörfer zum Friedhof transportieren wollten. In jeder Ortschaft hielten die Obrigkeiten die Hände auf, wenn der Verstorbene auf seinem letzten Weg deren Gemarkung durchqueren musste. Um diese hohen Kosten, die heute mehreren Hundert Euro entsprächen, zu vermeiden, wurden später weitere jüdische Friedhöfe in Obergrombach, in Wiesloch, in Flehingen oder in Waibstadt geschaffen. Der Friedhof in Oberöwisheim war fortan Begräbnisstätte für die Münzesheimer, die Menzinger und die Odenheimer Juden, in Oberöwisheim selbst gab es zu keinem Zeitpunkt eine jüdische Gemeinde. Der letzte Tote wurde im Jahr 1938 an dieser Stelle bestattet, danach geriet der alte Friedhof allmählich in Vergessenheit. Erst mit der Gründung der Stadt Kraichtal Anfang der 70er Jahre wurde das Gelände wieder gangbar gemacht und regelmäßig gepflegt. Geschichtlich betreut vom Heimat- und Museumsverein Kraichtal steht es heute jedermann frei, den Friedhof mit seinen fast 300 Grabstätten zu besonderen Anlassen, wie unlängst am „Tag des offenen Denkmals“, zu besuchen und den hier bestatteten Frauen Kindern und Männern mit Anstand und Demut zu gedenken.

Auch wenige Kilometer weiter, im benachbarten Neuenbürg, finden sich auf dem alten Dorf-Friedhof einige jüdische Gräber. Deren Geschichte reicht allerdings nicht ganz so weit wie die in Oberöwisheim, steht ihnen aber in ihrer Intensität der tragischen Hintergründe in nichts nach. Die hier bestatteten Juden waren allesamt Häftlinge des Konzentrationslager Vaihingen, das am 8. April 1945 von französischen Truppen befreit worden war. Da unter den Lagerinsassen damals der Typhus grassierte, wurden die Erkrankten bis zu ihrer Heilung oder eben bis zu ihrem Tode, in Neuenbürg untergebracht. Die eigentlichen Bewohner des Dorfes mussten ihre Häuser eigens dafür räumen und Neuenbürg verlassen. Sieben der erkrankten Juden erlagen in Neuenbürg dem Typhus und wurden auf dem dortigen Friedhof beigesetzt. Neuenbürg verfügt damit über den einzigen Friedhof weit und breit, an dem sowohl Verstorbene christlichen und jüdischen Glaubens gemeinsam beerdigt wurden. sn

Der jüdische Friedhof in Oberöwisheim lockte am Tag des offenen Denkmals über einhundert Gäste an.  | Foto: ps
Auf dem Dorf-Friedhof in Neuenbürg befindet sich ein jüdisches Gräberfeld. 
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Autor:

Jessica Bader aus Mannheim

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