Herbert Johann, Tüftler, Museumspionier und Philosoph
„Schuhprofessor“ feierte 85.

Herbert Johann wurde dieser Tage 85 Jahre alt. Er war einer der letzten, der die historische Holzschuhmaschine noch bedienen konnte. | Foto:  W.Sch.
  • Herbert Johann wurde dieser Tage 85 Jahre alt. Er war einer der letzten, der die historische Holzschuhmaschine noch bedienen konnte.
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Hauenstein. Immer wieder nachdenken und sinnieren, den fantastischen Naturphänomenen Gesetzmäßigkeiten entlocken und praktische Anwendungen für den menschlichen Alltag entwickeln, das beschäftige ihn seit er denken kann und lasse ihn auch im hohen Alter nicht ruhen.
In geistiger und körperlicher Frische wurde der Erfinder, Tüftler, Denker und Autodidakt Herbert Johann 85 Jahre alt. Seinen Geburtstag feierte er im kleinen Kreis mit Frau Doris und den drei Kindern in seinem zum kleinen Museum gewordenen Haus im Hauensteiner Nächstenthal.
Sein naturwissenschaftliches Denken und Suchen kreise seit seiner Kindheit – so erzählt der in vielen Lebensbereichen gebildete Herbert Johann um die physikalischen Phänomene, die in der Urkraft der Sonne ihren Ursprung haben: „Die Sonne treibt über Fotozellen eine kleine Kraftquelle, etwa einen Motor oder Elektromagneten an und drückt auf einen Hebel, der die Kraft maximiert und das gewünschte Ergebnis nach Berechnung erzeugt“. Um diese Formel schweifen seit Jahrzehnten seine Gedanken, und als er zehn Jahre alt war, sei ihm ein weiteres Urerlebnis zu einer physikalischen Lebenseinsicht geworden: „Bei der Zerstörung eines Schienenstrangs im Jahre 1944 bei Rinnthal durch Fliegerbomben habe ich als gerade 10jähriger nach der notdürftigen Renovierung der Schiene und dem damit verbundenen Hinweis, dass hier die Züge langsamer fahren mussten, die grundlegende Erkenntnis gewonnen, dass im Zusammenspiel von Gewicht, Kraft und Zeit der Faktor Zeit hier eine größere physikalische Rolle spielen müsse als die beiden anderen Phänomene. Bis dahin war für mich Physik gleich null gewesen“
Die Liebe zum Tüfteln war geweckt, Maschinen und mechanische Gesetze ließen ihn zeit seines Lebens nicht mehr los. Das Streben nach immer mehr Wissen machte ihn zeitlebens zum Autodidakten, „bis ich an der renommierten Deutschen Schuhfachschule Pirmasens 1955 mit dem Fachlehrer Fritz Zoller einen ausgezeichneten Lehrer fand, der mich auch in Chemie und Physik formte und meinem eigenen Streben eine klare Struktur gab“. All das, was der begabte junge Mann damals lernte – „die Schuhfachschule war eine europaweite Kaderschmiede“- brachte er in führenden Leitungspositionen bei mehreren renommierten Schuhbetrieben als profunder Maschinenkenner im Bereich Montage und Modelleur-Designer mit großem Erfolg ein. Schon nach der Schulentlassung direkt nach dem Krieg durfte er als einziger sofort an den DVSG-Maschinen bei der „Süddeutschen-Schuhfabrik“ arbeiten, später wechselte er zu Gebrüder Kratz, wo er mit den Kratz-Brüdern den eleganten Modeschuh unter der Marke „Pallette“ entwickelte. „Hier wurde mir das Gefühl der Ästhetik als eine bestimmendes Element beim Schuhmachen zur Richtschnur, und die Schuhfachschule hat mir das Auge geöffnet für die Schönheit der Dinge und der Welt“. Der angesehene Schuhspezialist ging später nach einer weiteren Etappe bei Remonte mit seinem profunden Wissen noch bis zum Ruhestand nach Dahn zu der renommierten Marke „Fasan“, und natürlich war Herbert Johann nach seiner aktiven Zeit auch einer der ersten, als der Hauensteiner Bürgermeister im Jahre 1995 „Schuhmacher mit Herzblut und Leidenschaft“ für das neu zu eröffnende Deutsche Schuhmuseum suchte. Mit seinem außerordentlichen Wissen und seiner besonderen Gabe, die Welt der Schuhe auch „erklärbar“ zu machen, gehört Herbert Johann zusammen mit einigen anderen hervorragenden Ehrenamtlichen zu den außerordentlich verdienstvollen Protagonisten beim rasanten Erfolg des Museum in den ersten 20 Jahren seines Bestehens. Aus ganz Europa kamen immer wieder Anfragen und Herbert Johann machte sich bald in der einschlägigen Museumsfachwelt einen Namen als „Schuhprofessor“. Und weil er immer Theorie und Praxis in einen verständnisvollen Kontext bringen wollte, stellte er sich nicht nur als Spezialist für Römerschuhe und anderes historische Schuhwerk zur Verfügung. In dieser Zeit entfaltete der Jubilar auch ein großes Talent in der grafischen und fotografischen Gestaltung, die dem Museumsleiter im Bemühen um eine offensive Marketingstrategie immer wieder zu einer großen Hilfe wurden. Nur am Rande erzählt er, dass er auch Erfolg hatte als Createur sportiver Gardeschuhe für Faschingsgarden. „Mit meinen Schuhen wurde die Kurpfalzgarde der Karnevalgesellschaft Bellheim 1986 und 1987 zweimal Deutscher Meister“.
Ganz am Rande: Herbert Johann ist der kundige Maschinenführer, der die hundert Jahre alte Holzschuhmaschine aus der Nähe der Hauensteiner Partnerstadt Chauffailles nicht nur aus hunderten Einzelteilen zusammengebaut hat, sondern der das Ungetüm auch als einziger noch vorführen kann. ws

Autor:

Jürgen Bender aus Annweiler

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