Neues vom Geyersberg
Satire

Wer den Geyersberg nicht kennt, hält sie für eine verschlafene Rehaklinik am Rande des Rothaargebirges, umrahmt von Fichtenwald und Buntsandsteinfelsen, die früher, als man die Geyer noch nicht unter Naturschutz gestellt hatte, den heimischen Kletterern als beliebte Trainingstrecke galten.
So lang ist es her, die Geyer sind nicht mehr, und die Klinik trägt heute den nüchternen Namen einer Holding, d.h. einer Firma, die auf einer idyllischen Insel zwischen Florida, Bahamas und Dominikanischer Republik ihre Steuern zahlt.
Zurück zu unserem architektonischen Kleinod. Viel Glas und Metall ermöglichen weite Blicke auf das Rothaargebirge, in der Ferne leuchtet in violettem Abendlicht die Gipfelgruppe, deren Namen mir leider entfallen ist.
Was manchem Wanderer oder Einwohner der unter der Klinik sich ausbreitenden Kleinstadt Bad Frauental nicht bekannt sein dürfte, ist, mit welch neuartigen und Erfolg verheißenden Methoden auf dem Geyersberg gearbeitet wird.
1. Gang-Lang: durch geschickte Einquartierung der Patienten werden diese gezwungen, lange Wege über die Gänge und Treppen, Flure und Korridore zu unternehmen, bevor sie bei ihren Therapeut/innen ankommen.
2. Daily Spa: Ein Eintauchen in das wunderbare Element werden die Lebensgeister reaktiviert. Neue Patienten folgen dem dezenten Chlorgeruch in das Kellergeschoß, von dort durch die Massageabteilung und blicken dann fasziniert durch die großzügige Bäder und ein Schwimmbad. Haben Sie genug gesehen, können Sie in dem Raum, in dem sie sich befinden, ihre Hände tief in warmen Sand eintauchen. Der Illusion von Karibik ist perfekt. Nur das Schwimmbad ist dauerhaft geschlossen. Man munkelt von Corona, Heizkosten, Personalmangel. Niemand weiß etwas und wer etwas weiß, schweigt.
3. Handycaps: Um die tägliche Therapieroutine zu würzen hat man zwei Schwierigkeiten eingebaut: Die drei Aufzüge sind so programmiert, dass sie jeden Tag mehrmals ihre Arbeit verweigern. So steht am dritten Stock, die Panels zeigen, dass ein Aufzug schon da ist, zwei im Anmarsch, aber keine Tür öffnet sich. Nach 2 bis 3 Minuten verlieren viele der Wartenden die Geduld und nehmen die Treppe. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Trainingseffekt für die Herzkranken. Rollstuhlfahrer müssen eben warten.
4. Escape-Room: Bei Ausfall des Stroms in Bad Frauental schließen sich automatisch die Feuerschutztüren, mächtige, mehr als drei Meter hohe Wände teilen plötzlich den Raum und trennen Frau und Ehefrau, Therapeut/in und Patient. Gerade an Wochenenden, wenn nur eine Notschwester und der Hausmeister nach einiger Zeit für Ruhe sorgen und Hoffnung verbreiten, entsteht ein wohliger Schauer für die Patienten.
5. Terrain-Training I: Die Patienten dürfen endlich ihre Masken abziehen, wenn sie die Klinik unter Betreuung verlassen. Dann gehen sie um das Haus herum, machen hier eine Kniebeugung, stehen dort auf den Zehenspitzen, machen einen Knicks oder steigen eine kurze Treppe hinauf, eine Krücke in der Hand, die zweite unter den Arm geklemmt.
6. Terrain-Training II: Die Herzkranken werden in den Wald geschickt und oft kommen auch alle wieder zum Mittagessen zurück in die Klinik.
7. Surprise-Surprise: Ein Patient sieht normalerweise die ganze Woche kein Pflegepersonal. An einem Tag der Woche jedoch kommt plötzlich ein Arzt zu ihm, fragt nach seinem Zustand, verspricht vielleicht sogar, sich um eine Problem zu kümmern.
8. Medikamentenbingo: Bei Bedarf und zu bestimmten Zeiten dürfen sich Patienten vor dem Schwesternzimmer hinsetzen und warten. Je nach ihrer Zahl sind sie schon nach fünf bis 25 Minuten an der Reihe. Dort bekommen Sie eine neue Wundertüte mit Medikamente plus einer Einnahmeliste. In ihren Zimmern drücken Sie sich dann die richtigen Medikamente aus den Blistern. Da auch starke Schmerzmittel dabei sind wird darauf geachtet, dass bei kleinen Missgriffen der Patienten z.B. Morphin statt Abführmittel, keine Schäden entstehen können.
9. Las Vegas: Kulturelles Begleitprogramm der Therapie wird großgeschrieben. Pro Monat gibt es zwei Klavierkonzerte, eine „Wir basteln Modeschmuck“-Veranstaltung und spannende Vorträge über richtiges Essen, richtige Bewegung und Orthopädie.
10. Sprachinseln: Es gibt drei Sitzgruppen: Eine wird von Italienern bevölkert, eine von Kroaten, eine von deutschen Frauen, die stricken. Außerdem ist die Putzkolonne komplett einer slawischen Sprache mächtig. Für die Patienten heißt das Anregungen zum Fremdsprachenlernen in Hülle und Fülle
11. Sozialtraining: Es gibt drei Ärzte: Der eine ist charmant und kompetent, der zweite ein arroganter Pinsel, der dritte umgänglich und er müht sich mit der deutschen Sprache ab. So lernen die Patienten wieder für den beruflichen Alltag, sich auf verschiedene Menschentypen einzustellen.
12. Fitnesstraining: Für alle Patienten steht ein hochmoderner Fitnessraum zur Verfügung. Zu den in ihrem Plan eingezeichneten Zeiten können Sie dort ihre Muskeln aufwärmen und trainieren. Leider ist meist nur eine Aufsicht da, die keine Berechtigung hat, die hochkomplizierten Geräte zu erklären. So kommt es, dass meist die Hälfte der Geräte nicht benutzt werden können. Schade, bei den enormen Anschaffungskosten. Aber immerhin sehen sie beachtlich aus in ihrem mattschwarzen Lack und ihren Monitoren.
13. Shuttle-Bus: Es gibt eine großflächige Tiefgarage, Parkplätze direkt vor dem Haupteingang und einen Shuttle-Bus, der die Gäste hinab ins weit entfernte Stadtzentrum bringen. Alledings darf vor dem Haus nur eine ¾ Stunde geparkt werden, die Tiefgarage ist nur für Mitarbeiten und der Shuttle-Bus fährt nur drei Mal pro Woche, manchmal fällt er aus (siehe Aushang an der Rezeption. Apropos ausfallen.
14. Schließfach: Jeder Patient bekommt ein Schließfach neben der Rezeption. Dort kann er sich jeden Abend ein Update auf seinen Therapieplan holen, auf dem tägliche Änderungen verzeichnet sind. So erspart er sich sinnloses Warten auf eine/n Therapeut/in.

Alles in allem, eine wohl durchdachte moderne Rehaklinik mit vielen Impulsen für die Patienten. Ein Juwel für Bad Frauental.

Autor:

Hans Poignee aus Ettlingen

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