„Horeb to go“ will Mangelernährung bei Schülern vorbeugen
Zu fett und zu süß durch die Corona-Pandemie

Schulkinder auch in Corona-Zeiten mit gesunder Kost zu versorgen, haben sich (von links) Sabine Kober, Professor Dr. Hans Konrad Biesalski und Barbara Nelke auf die Fahne geschrieben.  Foto: Kling-Kimmle
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  • Schulkinder auch in Corona-Zeiten mit gesunder Kost zu versorgen, haben sich (von links) Sabine Kober, Professor Dr. Hans Konrad Biesalski und Barbara Nelke auf die Fahne geschrieben. Foto: Kling-Kimmle
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von andrea katharina kling-kimmle

Pirmasens. Kein Treffen mit Freunden, Sport fällt flach, Homeschooling, Wegfall des warmen Mittagessens in den Ganztagseinrichtungen – Kinder leiden ganz besonders stark unter den Folgen der Pandemie. Gerade in Familien im ALG II-Bezug ist eine Versorgung des Nachwuchses mit gesunder Kost kaum noch zu finanzieren, sagt Dr. Hans Konrad Biesalski, Professor für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim. In Pirmasens liege der Anteil von Kindern mit Mangelernährung in dieser Zielgruppe bei 30 Prozent. Höchste Zeit, meint der 72-jährige Ernährungsmediziner, „ein Zeichen zu setzen, dass es diese Defizite nicht nur in Afrika gibt“. Deshalb ist Biesalski Initiator der Aktion „Horeb to go“, die vom 7. Juni bis 15. Juli Kindern der Ganztagsschule auf dem Horeb viermal die Woche ein warmes Mittagessen ermöglicht.

In Sabine Kober, ehemals Koordinatorin des Pakt für Pirmasens, OB Markus Zwick und Quartiersmanagerin Barbara Nelke vom Horeb Treff hat der Universitätsprofessor Mitstreiter gefunden, die auch die Rahmenbedingungen schufen für dieses „Anstoßprojekt“, das nachhaltige Folgen haben soll, so Sabine Kober. Nachdem der Ernährungsmediziner bei den drei Service-Clubs Rotary Pirmasens, Rotary Pirmasens-Südwestpfalz und Lions einen Vortrag über dieses Thema gehalten und Sabine Kober das Modellprojekt „Horeb to go“ vorgestellt hat, konnten zahlreiche Sponsoren gewonnen werden. So können mit dem Betrag 60 Kinder, die in Normalzeiten im Rahmen des Ganztagsunterrichts auch verpflegt werden, nach Voranmeldung der Eltern sechs Wochen lang in den Genuss eines kostenlosen Mittagsessens kommen.
Wie Professor Biesalski im Gespräch mit dem Wochenblatt deutlich macht, ist gesunde Ernährung genauso wichtig, wie Bewegung und soziale Kontakte. Definiert wird „gesunde Ernährung“ als eine Kost, „die nicht krank macht“. Der 72-jährige, der einige Zeit bei guten Bekannten in der Horebstadt verbrachte, traf dabei auf Sabine Kober. In einem Gespräch entstand die Idee im Rahmen eines Projektes das Bewusstsein für Nahrungsmittel, die die kindliche Entwicklung positiv unterstützen, den Eltern nahezubringen. Gerade wenn Schulen geschlossen sind und Kinder zuhause verpflegt werden müssen, zeige sich die Diskrepanz zwischen den Tagessätzen, die Familien im ALG II-Bezug für ihre Sprösslinge erhalten und den tatsächlichen Kosten einer ausgewogenen Ernährung. Diese würden mindestens 6 Euro betragen, in der Realität sind es dagegen nur 4 Euro. Was laut Professor Biesalski sich in der deutlichen Zunahme von Übergewicht auf Mädchen und Jungen aus ärmlicheren Verhältnissen niederschlage. „Weil fett- und zuckerreiche Lebensmittel wie Chips oder Pommes deutlich preiswerter sind, als etwa Obst, Gemüse und Milchprodukte, die viele Mikronährstoffe enthalten“. Damit bestehe nicht nur ein gesundheitliches Risiko durch zu viele Pfunde sondern zugleich auch eine Mangelernährung. Dies könne gravierende Auswirkungen auf die körperliche und kognitive Entwicklung der Heranwachsenden haben.
Oberbürgermeister Markus Zwick, mit dem Sabine Kober, Professor Biesalski und Andrea Koch, Leiterin der Horebschule, ein Gespräch über auf diese Problematik führten, sei gleich begeistert gewesen. Der OB wies dabei auf mögliche Zuschüsse aus dem „Bildung und Teilhabe“-Paket hin und sagte auch städtische Mittel zu. Auch bei Caritas-Leiterin Annette Martin fiel das Vorhaben auf fruchtbaren Boden und sie entschied das Projekt beim „Horeb Treff“ anzusiedeln. Gemeinsam mit der Leitung der Grundschule Horeb, die 249 Kinder unterrichtet, 180 davon in der Ganztagsschule (100 Schüler haben einen Migrationshintergrund), wurde die Aktion „Horeb to go“ ins Leben gerufen. Mit der Heinrich-Kimmle-Stiftung, die als Caterer die Mittagessen vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie lieferte, wurde ein Abkommen vereinbart: „Wir beziehen in der Zeit vom 7. Juni bis 15. Juli vier Mal wöchentlich 60 Essen, die nach Voranmeldung von den Eltern zwischen 12.30 und 13.30 Uhr am Fenster des Horeb Treffs abgeholt werden können“. Diese Menge sei dank Sponsoring finanziell zu stemmen. Um die Aktion publik zu machen werden im Vorfeld die Lehrer gezielt sozial schwache Familien ansprechen und sie auf das kostenlose Angebot hinweisen. Sie können sich dann am 26. Mai oder 2. Juni jeweils von 12 bis 14 Uhr beim Quartiersmanagement in der Klosterstraße 9 bei Barbara Nelke und ihrem Team anmelden. Auf dem Speiseplan stehen zwei vegetarische Gerichte pro Woche, sowie zwei Essen mit Fleisch (kein Schweinefleisch) und als Dessert Joghurt oder Obst. Wie Professor Biesalski deutlich macht, muss sich der Caterer bei der Zubereitung an die „Qualitätskriterien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung“ halten. Die Kimmle-Stiftung liefert das Essen in die Klosterstraße wo die Mitarbeiter es handlich verpacken zur Abholung: „Damit werden die Hygieneregeln eingehalten“, sagt Barbara Nelke.
Das Projekt, das nach den Vorstellungen von OB Zwick sowie Professor Biesalski wissenschaftlich begleitet werden soll, ist ein Teil der „sozialraumorientierten Arbeit“ im Horeb Treff. Deshalb hat die Quartiersmanagerin bereits weitere nachhaltige Angebote ausgearbeitet. Das reicht vom Kultur übergreifenden Thema „Mütter kochen für Mütter“ bis zum Ferienkurs mit einem Besuch auf dem Wochenmarkt: „Damit die Kinder mal sehen, wie echter Brokkoli aussieht“. Den kennen die meisten nur als grüne Pampe mit Mandelsplitter auf Tiefkühlfischen, hat Professor Biesalski festgestellt. Mit der „Aufklärung“ vor Ort auf dem Wochenmarkt könne ein nachhaltiger Beitrag zu gesunder Ernährung für die ganze Familie geleistet werden, glaubt Sabine Kober. ak
Info:

Telefon: 06331 274020; Mail: horeb-treff@caritas-speyer.de

Schulkinder auch in Corona-Zeiten mit gesunder Kost zu versorgen, haben sich (von links) Sabine Kober, Professor Dr. Hans Konrad Biesalski und Barbara Nelke auf die Fahne geschrieben.  Foto: Kling-Kimmle
„Brokkoli live“. Die meisten Kinder kennen diese Gemüsesorte nur als „grüne Pampe auf Tiefkühlfisch“, sagt Ernährungswissenschaftler Professor Biesalski.  Foto: pixabay
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Andrea Kling aus Pirmasens

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