Interview zum 100-jährigen Frauenwahlrecht
Gleichstellung ist Chancengleichheit

Vera Lang, Gleichstellungsbeauftragte der VG Landstuhl  Foto: ps
2Bilder

Landstuhl/Landkreis Kaiserslautern. Genau 100 Jahre ist es her, dass das Frauenwahlrecht auch in Deutschland eingeführt wurde. Um zu beleuchten, wo wir beim Thema Gleichberechtigung stehen, welche Ziele bereits erreicht wurden und wo noch Handlungsbedarf besteht, hat das Wochenblatt mit Vera Lang, der Gleichstellungsbeauftragten der Verbandsgemeinde Landstuhl, sowie mit Rebecca Leis und Dorothee Müller, den Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Kaiserslautern, gesprochen.

Von Stephanie Walter

???: Was ist das übergeordnete Ziel der Gleichstellungsbeauftragten:

Müller: Wichtig ist uns, dass ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft stattfindet. Wir arbeiten dafür, dass die Gleichberechtigung gefördert und umgesetzt wird, in allen Bereichen des Lebens. Rechte und Pflichten müssen für beide Geschlechter gleich sein. Das ist Gleichstellung. Sie betrifft alle Generationen und das Ziel ist es, sie in die Gesellschaft zu tragen, damit sie irgendwann zur Selbstverständlichkeit wird.

???: Können Sie Ihr Tätigkeitsfeld kurz beschreiben?

Leis: Wir als Gleichstellungsbeauftragte sind Ansprechpartnerinnen vor allem für Frauen und Mädchen, die sich diskriminiert fühlen. Das kann in der Partnerschaft, aber auch am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Leben sein. Darüber hinaus bieten wir Hilfestellung und Unterstützung in Konflikt-, Not- und Gewaltsituationen und vermitteln hier auch Ansprechpartner. Dabei sind wir sehr gut vernetzt. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es auch, Kontakte zu Frauengruppen, Beratungseinrichtungen oder Verbänden herzustellen und auch für die Öffentlichkeitsarbeit mit verschiedenen Veranstaltungen und Seminaren sind wir zuständig.

???: Sind Sie auch für männliche Bürger zuständig?

Müller: Wir sind eigentlich nur in einem Teilbereich für Männer zuständig, nämlich dann, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Es sind tatsächlich immer mehr Männer, die die Elternzeit in Anspruch nehmen und dafür kämpfen wir auch, denn die Kindererziehung geht beide Partner etwas an. Trotzdem ist es hier noch ein langer Weg, denn im Wirtschaftssektor ist es noch eher die Ausnahme, dass Männer in Elternzeit gehen. Andere Länder sind das schon viel weiter.

???: Liegt das auch an einem Rollenbild in der Gesellschaft?

Lang: Ein Rollenbild ist in der Gesellschaft schon noch gegeben. Ein Bewusstseinswandel ist allerdings eingetreten und das merkt man auch schon aus eigener Erfahrung. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei auch die Erziehung. Es liegt hier an den Eltern, selbst aktiv mitzuarbeiten und beispielsweise die Hausarbeiten auch auf beide Partner zu verteilen. Trotzdem sollte man es nicht negativ bewerten, wenn eine Frau zu Hause bei der Familie bleiben möchte. Jeder darf entscheiden, wie er leben möchte, auch das ist Gleichstellung. Der Begriff Hausfrau hat immer einen negativen Beigeschmack. Dabei leisten diese Frauen ein so großes Maß an unbezahlter Familienarbeit.

???: Familie oder Karriere – oft hat man das Gefühl, sich als Frau entscheiden zu müssen. Wie ist Ihr Eindruck?

Leis: Ich finde, es geht beides, man muss es aber wollen. Man merkt, dass Vieles dafür getan wird, dass die Rahmenbedingungen hier stimmen. Zum Beispiel ist die Gleitzeit im öffentlichen Dienst ein wichtiger Schritt, aber eine allgemeine Entwicklung ist in jedem Fall noch nötig. Insgesamt lässt sich sagen, dass noch immer viele Führungspositionen Männern gehören. Oft trauen sich die Männer diese Aufgabe auch einfach zu, während viele Frauen vorsichtiger sind. Das hängt auch mit der Erziehung oder mit Vorbildern aus der Familie und dem Freundeskreis zusammen. Auch hier muss ein Bewusstseinswandel stattfinden. Wir unterstützen den Prozess mit verschiedenen Mentoringprogrammen, in denen Frauen Informationen und Gesprächskontakte erhalten.

???: Wie stehen Sie zur Frauenquote, kann sie bei diesem Problem wirklich Abhilfe schaffen?

Lang: Die Frauenquote ist ein zweischneidiges Schwert und hat viele Diskussionen angeregt. Man will als Frau nicht seines Geschlechtes wegen eingestellt werden, sondern weil man die beste Qualifikation mitbringt. Allerdings muss man leider auch sagen, dass Frauen in der freien Wirtschaft ohne die Quote kaum eine Chance haben.

???: In diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht. Es ist schwer zu glauben, dass dieses Recht erst seit so kurzer Zeit gültig ist.

Leis: Wenn man darüber nachdenkt, ist es wirklich erschreckend. Es ist noch gar nicht lange her, da durften Frauen noch nicht bestimmen, wo sie arbeiten oder ein eigenes Konto eröffnen, geschweige denn wählen. In Deutschland wurde das Wahlrecht 1918 eingeführt, in Liechtenstein beispielsweise erst 1984. Daher lautet unser Appell, gerade auch im Hinblick auf die Kommunalwahl am 26. Mai, dass alle Frauen dieses Wahlrecht unbedingt wahrnehmen sollten. Vielen ist nicht bewusst, wie hart dieses Recht erkämpft wurde und dass auch Frauen dafür gestorben sind. Man sollte immer aus seiner Vergangenheit lernen. Daher ist es traurig, dass immer noch viele Frauen nicht von ihrem aktiven und passiven Wahlrecht gebrauch machen und in politischen Gremien noch immer unterrepräsentiert sind, obwohl sie in Rheinland-Pfalz rund 51 Prozent der Gesellschaft ausmachen.

???: Wie lautet das Ziel für die Zukunft?

Lang: Es ist sehr wichtig, das Thema Gleichstellung bewusst zu machen und immer wieder weiterzugeben. In der Öffentlichkeit, der Familie und der Wirtschaft. Wir gehen sonst mit riesigen Schritten rückwärts. Es geht bei der Gleichstellung nicht darum, aus Frauen Männer zu machen. Aber sie sollen bestärkt werden, neue Wege zu gehen, denn Gleichstellung bedeutet Chancengleichheit. Männer und Frauen sind unterschiedlich und das ist gut so. Gemeinsam erzielen wir die besten Ergebnisse für unsere Gesellschaft. Das größte Ziel ist es, dass man uns Gleichstellungsbeauftragte irgendwann nicht mehr braucht. sw

Kontakt:

Gleichstellungsbeauftragte der Verbandsgemeinde Landstuhl, Vera Lang.
Sprechstunde jeden dritten Mittwoch im Monat, 14 bis 15 Uhr, im Rathaus der Verbandsgemeinde, Kaiserstr. 49, 66849 Landstuhl, Zimmer 127 (1. OG). Telefon: 06371 83272 oder nach Vereinbarung, Telefon: 06371 16 822.

Kreisverwaltung Kaiserslautern
Gleichstellungsstelle, Burgstraße 11, 67659 Kaiserslautern, Telefon: 0631 7105304.

Vera Lang, Gleichstellungsbeauftragte der VG Landstuhl  Foto: ps
Rebecca Leis und Dorothee Müller, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises  Foto: ps
Autor:

Stephanie Walter aus Wochenblatt Landstuhl

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

27 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Wirtschaft & HandelAnzeige
Alltagshilfen für Senioren und Seniorinnen: Die Alltagsbegleiter vom Ambulanten Pflegedienst Schwager begleiten Personen, die ihren Alltag nicht mehr komplett selbst meistern können und machen das Leben ein Stück einfacher | Foto: Dragana Gordic/stock.adobe.com
4 Bilder

Alltagshilfen für Senioren: Pflegedienst Schwager bietet Unterstützung

Alltagshilfen für Senioren: Wenn man alltägliche Dinge nur noch mit Mühe erledigen kann, steht man oft vor großen Herausforderungen. Hier unterstützt der Ambulante Pflegedienst Schwager in Stadt- und Landkreis Kaiserslautern, Lauterecken, Kusel und Wolfstein alle Betroffenen und ihre Angehörigen mit einem breiten Angebot. Die Hilfen im Alltag können dabei entweder vorübergehend oder auch langfristig vereinbart werden.  Alltagshilfen für Senioren ermöglichen selbst bestimmtes Leben  Wir alle...

Online-Prospekte aus Landstuhl und Umgebung



add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.