Geheimnisvolle Heimat
Kalender oder Raumfahrer-Helm - was erzählt der "Goldene Hut" von Schifferstadt?

Der Weg zum Fundort | Foto: Heike Schwitalla
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Schifferstadt. Ooparts sind „fehl am Platz befindliche Artefakte“ (out of place artifacts) – also Objekte von historischem, archäologischem oder paläontologischem Wert, die Wissenschaftlern Rätsel aufgeben, allein durch ihre Präsenz an einem bestimmten Ort. Ooparts stellen oft die bekannte und akzeptierte historische Chronologie in Frage. Die große Herausforderung ist es, ihre Existenz in einem bestimmten Kontext wissenschaftlich rational zu erklären. Ein bekanntes Oopart wurde schon im 19. Jahrhundert durch Zufall auf einem Feld bei Schifferstadt gefunden – und hat sich seither zum Markenzeichen für die Stadt in der Vorderpfalz entwickelt.

Zufallsfund

Die Rede ist vom „Goldenen Hut“, am 29. April 1835 von einem Tagelöhner bei Feldarbeiten im Gewann Reuschlache bei Schifferstadt gefunden, auf Briefmarken (1977), Autobahnschild und an vielen Orten in Schifferstadt verewigt - vom Tage seiner Entdeckung bis heute immer wieder Objekt mehr oder weniger seriöser Forschungsarbeiten. Denn lange wusste man nicht, welchem Zweck der 29,5 Zentimeter hohe und zirka 350 Gramm schwere Kegel aus Goldblech, ursprünglich diente. Ein Kinnriemen und eine mit Filz-ähnlichem Material gefütterte Krempe führten schnell zu dem Schluss, dass es sich bei dem Objekt um einen Hut, eine Kopfbedeckung handeln müsse.

„Goldener Hut von Schifferstadt“ aus dem 14. – 13. Jh. v.. Chr. zu bestaunen im Historischen Museum der Pfalz in Speyer | Foto:  Kurt Diehl/Historisches Museum der Pfalz
  • „Goldener Hut von Schifferstadt“ aus dem 14. – 13. Jh. v.. Chr. zu bestaunen im Historischen Museum der Pfalz in Speyer
  • Foto: Kurt Diehl/Historisches Museum der Pfalz
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Drei weitere Artefakte dieser Art bekannt

Heute weiß man, der „Goldene Hut“ ist rund 3.500 Jahre alt und verblüfft die Experten durch die Feinheit und technische Präzision der kunsthandwerklichen Fähigkeiten, mit der der Hut verziert wurde. Einige Wissenschaftler nehmen an, dass es sich bei den zierenden Ornamentbändern um eine Art astronomischen Kalender handelt. Spannend auch: Über die Jahre wurden drei weitere, in ihrer Erscheinung und Datierung ganz ähnliche „Goldene Hüte“ gefunden, den (vorerst) letzten kaufte das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte in einer Kunsthandlung – Fundort und Funddatum sind unbekannt. Weiterhin kenn man den Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch (1953) und den Goldblechkegel von Avanton (Frankreich, 1844).

Wilde Thesen

Und wie das nun einmal so ist, wenn Historiker sich nicht zu 100 Prozent sicher sind über Sinn und Einordnung eines Objekts, sprießen schnell die "kreativsten" Ideen selbsternannter Experten.  Interpretationen dazu, wofür die Objekte letztlich gut waren, gab es dementsprechend über die Jahrhunderte viele: Vom Hut eines Magiers (eines weisen Mannes im Stile eines Merlins), über phallische Fruchtbarkeitssymbole - für lange Zeit ob der bizarren Form der Objekte eine gerne genommene These - bis hin zu Helmen für frühgeschichtliche Raumfahrer, so genannte "Ancient Alien Astronauts" - der Fantasie der Wissenschaftler und Pseudowissenschaftler ist bei Ooparts scheinbar keine Grenze gesetzt.

Man geht heute davon aus, dass die Goldhüte religiös-kultischen Zwecken dienten und von Priestern eines in der späten Bronzezeit in Zentraleuropa verbreiteten Sonnenkultes verwendet wurden. Viele Experten sind sich darüber reinig, dass die Verzierungen eine Art Sonnen- oder Sternenkalender darstellen - aufgrund der frühen Entstehungszeit eine ausgesprochen faszinierende Tatsache, setzt sie doch enorme Kenntnisse unseres Sonnensystems voraus und auch eine gewisse Beobachtungsgabe. (Es sei denn, es waren doch Aliens am Werk, denen die Hüte gleichzeitig als Helm und "Navigationssystem" dienten.) Spaß beiseite, denn das wirklich Spannende und Rätselhafte an den Goldenen Hüten ist die Tatsache, dass man auch in anderen Kulturen rund um den Erdball Priester und Götter kennt, die mit ähnlichen Kegel-Hüten dargestellt wurden – etwa in Mesopotamien. Ob purer Zufall, eine Art "Urglaube" oder ein uns noch völlig unbekannter Austausch weit voneinander entfernter Kulturen? Wir werden es wohl nie erfahren.

Anschauen

Der „Goldene Hut“ von Schifferstadt ist heute im Historischen Museum der Pfalz in Speyer ausgestellt, eine originalgetreue Kopie davon befindet sich zudem im Heimatmuseum der Stadt Schifferstadt. Da die Museen aufgrund der Corona-Pandemie derzeit leider noch geschlossen sind, empfiehlt sich auch ein Spaziergang durch Schifferstadt. Wer diesen Schilder folgt, kommt dort nämlich an den Fundort des "Goldenen Huts".

Der Weg zum Fundort | Foto: Heike Schwitalla

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Autor:

Heike Schwitalla aus Germersheim

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