Bock-Geschichte und bockige Streitereien: Einer der originellsten Brauchtümer Deutschlands

Schon damals war die Geißbockversteigerung das Highlight des Jahres.   | Foto: ps
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  • Schon damals war die Geißbockversteigerung das Highlight des Jahres.
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Deidesheim. „Wer mit dem Schlag der sechsten Stund’ das höchste Gebot abgibt, dem ist der Bock zu eigen und er erhält ein urkundlich Vermerk hierfür. Der Bock ist zur Versteigerung zu stellen!“ - So lautet alljährlich am Nachmittag des Pfingstdienstages der Spruch des Hohen Stadtgerichtes zu Deidesheim auf der Geißbockbühne vor dem Rathaus.
Um 17.45 Uhr ertönt die große Glocke vom Turm der katholischen Pfarrkirche; der Versteigerer tritt in Aktion und hat die nicht ganz leichte Aufgabe, den Bock vor einer großen Menschenmenge zu einem möglichst hohen Preis an den Mann zu bringen. Mit dem letzten Glockenschlag um 18 Uhr muss der Hammer fallen und der Geißbock wird dem Meistbietenden zugeschlagen. Dieser darf sich glücklich schätzen, auf den Tisch des Bürgermeisters im Ratssaal seinen Steigpreis in bar zu legen, bevor er seinen bockigen Besitz samt Urkunde übernehmen darf.
So gilt der Pfingstdienstag, der früher in Deidesheim Gerichtstag war, seit langer Zeit in Deidesheim als höchster Feiertag. Denn Deidesheim und der Geißbock blicken auf eine bewegte Geschichte zurück:
Keine Familie, kein Geschlecht in Deidesheim ist so alt wie er und seinesgleichen. Lediglich die Wurzeln der Deidesheimer Weinreben lassen sich in einer noch ferneren Vergangenheit ansiedeln. Eine erste urkundliche Erwähnung über Weiderechte im Hinterwald von Deidesheim, zu dem auch Niederkirchen zählte, datiert aus dem Jahre 1404. Sie begünstigt die Gemeinde Lambrecht und das Kloster St. Lambrecht. Aus dieser Verbriefung geht auch hervor, dass in den Deidesheimer Weidestrichen nur großes Hornvieh, aber keine Schweine und Ziegen weiden durften. Der Vertrag erwähnt auch die Weideberechtigung von Lambrecht „seit urfürdenklichen Zeiten“ gegen alljährliche Lieferung eines Geißbockes, der wohlgehörnt und gut beschaffen sein musste. So hat der Deidesheimer Geißbock wohl weit mehr als 600 Jahre Geschichte auf seinem Buckel!
Der Tributbock musste vom jüngsten Bürger der Stadt Lambrecht am Dienstag nach Pfingsten zum Aufgang der Sonne an einem bestimmten Ring, der am Deidesheimer Rathaus angebracht war, angebunden werden. Dem Überbringer des Bockes waren amtlicherseits Käsebrot und zwei Maß Wein zuerkannt. Am späten Nachmittag des Tages war der Bock zu Nutzen des Stadtsäckels zu versteigern. Dieser, wohl etwas komplizierte Vertrag, führte des Öfteren zu heftigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragspartnern, die Erneuerungen und Ergänzungen notwendig machten und oftmals sogar zum offenen Streit Anlass gaben. Insbesondere in den Jahren 1534, 1535, 1685, 1749/50 und 1768 kam es aufgrund der Beschaffenheit des Bockes zu ernsthaften Turbulenzen: denn wer will schon einen Bock ersteigern, der nicht zur Zucht geeignet ist!?
Auch im Jahre 1808 war wiederum ein Bock-Vergleich notwendig. Um Schlimmeres zu verhindern, sandte man Boten zu Napoleon I. in sein Feldlager zu Arando de Guero in Spanien. Dieser Unterzeichnete am 26. November höchstpersönlich ein Dekret, und traf somit die Verfügung: „Die alten Weiderechte werden weiter gewährt, jedoch dass sie die gewöhnliche Recognition eines wohlgehörnten und wohlgebeutelten Geißbockes auch fernerhin entrichte...“
Eine sehr weise Entscheidung! Denn noch heute wird der Bock in Deidesheim auf seine „Attribute“ überprüft, wobei die Untersuchung des Beutels häufig auf wenig Gegenliebe bei dem Bock stößt! Ein langwieriger und kostspieliger Streit mit Lambrecht bahnte sich im Jahr 1851 an. Deidesheim wies den von Lambrecht gelieferten Bock ab, da er angeblich die geforderten Attribute nicht aufwies. Auch sei die Lieferung erst nach Sonnenaufgang erfolgt. Ein Ersatzbock wurde zurückgewiesen. Auch im nächsten Jahr wurde der Geißbock nicht abgenommen. Nun wurde Klage erhoben und es dauerte bis zum Jahre 1857 als das Appellationsgericht zu Zweibrücken den Prozess entschied. Lambrecht musste die vertragsmäßigen Böcke für die Jahre 1851 bis 1857 nachliefern und Deidesheim die Gerichtskosten bezahlen. So kam es, dass im Jahre 1858 acht Böcke zur Versteigerung standen! Aber: Zu keiner Zeit ist die Bocküberstellung unterblieben, wenn auch Lambrecht mehrmals versucht hat, diese zu umgehen! Die jüngste Geschichte verzeichnet keine ernsthaften Streitigkeiten um die Einhaltung des Vertrages und die Lieferung des alljährlichen Tributbockes. Vor den Pfingsttagen kommt es zwar immer wieder zu Frotzeleien, die aber in pfälzischer Art ausgetragen und beigelegt werden: mit einem oder mehreren Schoppen Wein. ps

Autor:

Eva Bender aus Neustadt/Weinstraße

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